Im Namen des Instituts für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung sowie der Philosophischen Fakultät müssen wir Ihnen die traurige Nachricht übermitteln, dass
Prof. Dr. Horst Siebert
am 22. Oktober 2022 verstorben ist.
Er hatte ein erfülltes Leben im Dienst der Wissenschaft und hinterlässt einen tiefen und bleibenden Fußabdruck in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung.
Geboren wurde Horst Siebert am 08. Juli 1939 in Iserlohn. Er studierte Literaturwissenschaft, Philosophie sowie Altphilologie und legte mit seiner bereits 1964, im Alter von 25 Jahren, eingereichten Dissertation „Friedrich Hebbels Auseinandersetzungen mit Hegel und Solger“ den Grundstein für die weitere akademische Laufbahn. Seine Zeit als Wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Dr. Joachim H. Knoll an der Ruhr-Universität Bochum ab 1966 mündete in der Habilitation zur „Erwachsenenbildung in der Erziehungsgesellschaft der DDR“ im Jahr 1969. Nur ein Jahr später erhielt Horst Siebert im Jahr 1970, im jungen Alter von 31 Jahren, die erste Professur für Erwachsenenbildung an der Pädagogischen Hochschule Niedersachsen, die später in die Universität Hannover, heute Leibniz Universität Hannover, integriert und im Zuge dessen zu einem eigenen Institut für Erwachsenenbildung ausgebaut wurde. Dieser erste explizit erwachsenenpädagogische und von Horst Siebert mit Leben gefüllte Lehrstuhl bildete einen Baustein in der Etablierung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung als Wissenschaftsdisziplin und fundierte die starke Tradition der Erwachsenenbildung in Niedersachsen. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2007 prägte Horst Siebert die Professur mit wissenschaftlicher Fachexpertise, praxisbezogenem Engagement und einer gegenüber Studierenden sowie Kolleg*innen äußerst nahbaren, interessierten und unterstützenden Art. Er war während seiner Zeit als Professor Mitglied diverser universitärer Gremien, Kommissionen, Arbeitsgruppen sowie Initiativen und hatte im Hochschulkontext verschiedene zentrale Rollen inne, etwa als Dekan und Prodekan im Fachbereich Erziehungswissenschaften und als Geschäftsführender Direktor des Instituts für Erwachsenenbildung. Als Mentor begleitete er viele (ehemalige) Studierende auch über das Studium hinaus und hielt zu einigen bis in die letzten Lebensjahre Kontakt. Des Weiteren war er Honorarprofessor und hatte diverse Lehraufträge an Hochschulen und anderen Institutionen im In- und Ausland. Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 2007 legte er den Bleistift nicht nieder, sondern war für weitere drei Jahre, bis zum Jahr 2010, an der Leibniz Universität Hannover und speziell am inzwischen fusionierten Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung präsent. In dieser Zeit gestaltete er u. a. den Übergang vom Diplomstudium Erwachsenenbildung/Außerschulische Jugendbildung zum Masterstudium Bildungswissenschaften (mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung) mit, der beispielhaft zeigt, dass Horst Siebert bis ins hohe Alter offen für neue Entwicklungen und die Suche nach zukunftsfähigen Anschlüssen war. Mehrere weitere Jahre war ihm zudem die Beteiligung am Gasthörenden- und Seniorenstudium an der Leibniz Universität Hannover ein besonderes Anliegen.
Im Kern seines Schaffens widmete sich Horst Siebert insbesondere der Bildungstheorie, der Lehr-Lernforschung und speziell der Didaktik und Methodik, d. h. Grundlagenbereichen der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In seinem wissenschaftlichen Wirken galt er dabei stets als ruhiger und unprätentiöser Zeitgenosse, der es zugleich verstand, sich Gehör zu verschaffen. So kommt auch die Leitstudie „Lehr- und Lernverhalten bei Erwachsenen“ (Siebert & Gerl 1975) als kleinformatiges Taschenbuch dezent daher, markiert aber als eine der großen Leitstudien einen Meilenstein in der erwachsenenpädagogischen Forschung. Untrennbar ist Horst Siebert ferner mit dem Konstruktivismus verbunden, wobei er mit seinem Interesse für und die Verbindung mit der Hirnforschung interdisziplinäre Bezüge schaffte. Bereits in frühen Jahren setzte er sich zudem mit der Umweltbildung auseinander, einem Themenfeld, das in der Gegenwart eine neue Aktualität erlangt. Übergreifend verfügte Horst Siebert, nicht zuletzt über die eigene Eingebundenheit in die Entwicklungen der Disziplin, über eine besondere Expertise zur Geschichte der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Besonders für jüngere Wegbegleiter*innen war er dabei als Zeitzeuge früherer Epochen der Erwachsenenbildung eine geschätzte und ansprechbare Kontaktperson in der Hochschule und darüber hinaus.
Horst Siebert lebte für die Wissenschaft. Seine größte Leidenschaft war dabei das Lesen und Schreiben. Seine unzähligen Veröffentlichungen sind vielfach zitiert, seine Grundlagenwerke mehrfach neu aufgelegt. So erschien sein Buch „Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung“ (erstmals 1996) im Jahr 2019 bereits in 8. Auflage. Mit einer seiner letzten Monografien setzte er im Jahr 2012 schließlich mit der „heitere[n] Vernunft des Humors“, als „Ausdruck einer klugen Lebensführung“ einen besonderen Impuls. Auch er selbst hatte eine humoristische Seite, erfreute sich an Loriot und überraschte hier und da mit seinem feinen Sinn für Humor. Im Hochschulalltag war seine Verbundenheit mit dem geschriebenen Wort allgegenwärtig. So manche Literatursuche von Studierenden oder Kolleg*innen endete mit einem gezielten Griff in das Siebert‘sche Bücherregal. Dabei hatte er fast jedes Buch auch selbst gelesen, wie neben seinen spontanen Buchrezensionen auch die zahlreichen Kommentare am Rand verrieten. Auch nach seiner aktiven Zeit als Hochschullehrer verbrachte er viel Zeit mit dem Lesen – natürlich weiterhin mit einem Bleistift in der Hand.
Bei aller Leidenschaft für wissenschaftliche Auseinandersetzungen und das akademische Hochschulwesen verlor Horst Siebert auch sein unmittelbares Umfeld nicht aus den Augen, welches er mit stets klarem und durchdringendem Blick wahrnahm. Bemerkenswert ist sein jahrzehntelanges soziales Engagement in seinem Wohnviertel in Hannover-Mühlenfeld, dies immer mit der gewohnten Bescheidenheit und ohne das Rampenlicht zu suchen. Er setzte sich in viele Richtungen ideell und finanziell für seine Mitmenschen ein; beispielsweise gab er noch vor wenigen Jahren Deutschkurse für Geflüchtete. Weiterleben wird sein Engagement u. a. in der bereits 2015 gegründeten Prof. Siebert-Stiftung (in Trägerschaft der Diakonie Stiftung Hannover) zur Förderung des Wohlfahrtswesens, der Jugend- und Altenhilfe und der Volks- und Berufsbildung für hilfebedürftige Kinder, Jugendliche und Ältere in der Region Hannover.
Mit der Leibniz Universität Hannover und dem Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung war Horst Siebert bis zuletzt über langjährige Kontakte verbunden. In Erinnerung bleibt er als engagierter Wissenschaftler und Wegbereiter der Erwachsenenbildung sowie als warmherziger, offener Mensch mit einem Gespür für seine Mitmenschen und die Gesellschaft. Sein geistiges Erbe wird über seine Werke und mit ihm verbundene Wegbegleiter*innen weiterleben.
Prof. Dr. Steffi Robak
GL Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung